EZ Bericht: Da schlummern ungeahnte Potentiale
„Da schlummern ungeahnte Potenziale“
20. Dezember 2015
EZ Bericht: Neue Aufmerksamkeit
Neue Aufmerksamkeit für ein altes Wahrzeichen
20. Dezember 2015

„Die Burg muss aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden“

„Die Burg muss aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden“

Esslingen: EZ-Leser machen sich Gedanken über die Zukunft des historischen Bauwerks und bereichern die Diskussion mit vielen guten Ideen

Für viele ist der Dicke Turm das prägende Wahrzeichen der Stadt. Doch das historische Gemäuer, das einst Teil der Esslinger Stadtbefestigung war, ist zuletzt ins Abseits geraten. Ende 2011 gingen im Dicken Turm die Lichter aus, nachdem der bisherige Pächter das Handtuch geworfen hatte – ein neuer Betreiber ließ sich bislang nicht finden, weil erst einmal die gastronomischen Einrichtungen für viel Geld erneuert werden müssten. Doch die Esslinger wollen ihren Dicken Turm nicht länger leerstehen lassen. Zahlreiche Leserinnen und Leser unserer Zeitung haben sich an einer EZ-Aktion beteiligt und ihre Vorschläge für die Zukunft des altehrwürdigen Gebäudes formuliert. Einige der interessantesten Beiträge sind auf dieser Seite gesammelt. Und egal, ob die Esslinger eine andere gastronomische Nutzung, ein historisches Museum, ein Bürgerzentrum oder eine Besenwirtschaft favorisieren – einig sind sich alle, die sich an unserer Leseraktion beteiligten: Es ist höchste Zeit, den Dicken Turm wieder aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.

Perfekt für ein Bürgerzentrum
Silke Danilakis aus Esslingen: Am besten macht man aus dem Dicken Turm eine Art Esslinger Bürgerzentrum. Dieses Bauwerk ist perfekt geeignet, um Hochzeiten und andere Feste zu feiern – natürlich gegen Gebühr. Außerdem ist es hervorragend geeignet für Sitzungen, Empfänge, Seminare und Ähnliches. Für die Sanierung würde ich eine groß angelegte Spendenaktion ins Leben rufen. Ich bin mir sicher, dass der Dicke Turm jedem Esslinger am Herzen liegt und dass er ein paar Euro spenden würde für die Erhaltung dieses einzigartigen Wahrzeichens.

Interaktives Mittelaltermuseum
Ralf Weinberger aus Esslingen: Der Dicke Turm steht leer und eine Nutzung wird derzeit nicht in Erwägung gezogen. Das ist schade, schließlich prägt der Turm das Stadtbild und viele Touristen bekunden ihr Interesse, mehr über das Bauwerk zu erfahren und es zu besichtigen. Das Mittelalter ist eine Zeit, die in Esslingen eine Heimat hat, Mittelalterveranstaltungen finden reges Interesse. Was liegt näher als die Idee eines interaktiven Mittelaltermuseums? Vergleichbares findet sich zum Beispiel in der estnischen Stadt Tallin. Das Museum ist dort in einem alten Wehrturm eingerichtet und ebenfalls ohne Aufzug spannend zu begehen. Das Treppenhaus ist bereits die Ausstellungsfläche. Als Abschluss belohnt ein toller Blick über die Stadt. Man könnte auch Mittelalterspiele anbieten. In Bremen gibt es ein interaktives Geschichtenhaus, wo die wichtigsten Persönlichkeiten und ihre Geschichte dargestellt werden. In Esslingen wären das zum Beispiel der Postmichel, Melac oder Herzog Ulrich von Württemberg. Das wäre ein Programm für die ganze Familie. Ein Kiosk würde den Service mit Souvenirs abrunden, auf Wunsch könnte mittelalterliches Essen geboten werden. Dafür reicht eine bescheidene Küche zum Zurichten, Aufwärmen und geringfügigen Kochen. So entfällt der große Umbau, der bei einer anderen Nutzung nötig wäre, und befreit sowohl die Stadt als auch den Pächter von dieser Belastung. Bei einem Mittelalter-Event ist auch zu akzeptieren, dass es keinen Aufzug gibt, der bei einer Sterne-Gastronomie als Pflicht erwartet werden muss.

Ein Museum wie im Römerpark
Wolfgang Fischer aus Köngen: Ich schlage vor, im Dicken Turm ein kleines Museum zu schaffen, so wie es bei uns in Köngen im Römerpark auch der Fall ist. Dort gibt es im Eckturm des Kastells eine kleine Ausstellung, schräg gegenüber kann man sich im Museum ausführlich informieren. Natürlich sollte das vorgeschlagene Museum dem bestehenden Stadtmuseum in Esslingen keine Konkurrenz machen, aber bei uns in Köngen klappt es auch bestens mit zwei Einrichtungen, die interessierten Bürgern Informationen geben.

Öffnen für Tagesmieter mit Catering
Roland Hemminger aus Esslingen: Schön, dass sich die Eßlinger Zeitung dieses Themas annimmt. Mein Vorschlag: Renovierung nur des Gebäudes und der Räume, gute sanitäre Anlagen sowie Heizung und keine Küche. Die Bewirtung erfolgt über Catering – Essen und Geschirr werden dafür vom Caterer angeliefert. Der Tagesmieter kann sein Catering selbst buchen für Hochzeiten, Weinproben, Firmenfeste, Geburtstage, Ritteressen – gegebenenfalls können auch Mittagstische zum Beispiel für externe Geschäftsbesuche angeboten werden. Vermietung, Reinigung und Hausmeister-Service könnten über die Stadt, das Stadtmarketing oder ein privates Unternehmen geregelt werden. Das Beispiel des Bürgerhauses RSKN funktioniert.

Technik-Museum ansiedeln
Ralf Wehrer: Wenn man schon keine Gastronomie im Dicken Turm ansiedeln kann, dann könnte man ja daraus ein Technik-Museum zur Stadtgeschichte von Esslingen machen. Ich gebe zu, das wäre kein ganz billiger Vorschlag, aber über Eintrittsgelder durchaus finanzierbar.

Auf literarischen Spuren
Marco Huggele aus Esslingen: Eingedenk der Unwahrscheinlichkeit, dass der Dicke Turm in den nächsten Jahren wieder gastronomisch genutzt werden kann und angesichts etwaiger Kosten, die auch einer anderweitigen, täglichen Nutzung im Wege stehen, bleibt nur eine Variante, bei der das Gebäude zeitweise zugänglich ist: eine Öffnung etwa parallel zu Veranstaltungen wie Bürgerfest, Zwiebelfest, Tag des Denkmals, während des Weihnachtsmarktes und an einem bestimmten Tag in der Woche. Außer der Sicht auf die Altstadt muss es dann auch etwas zu sehen, zu lesen oder zu hören geben, abgerundet eventuell durch ein begrenztes Getränkeangebot. Den bekannten literarischen Spuren in Esslingen widmen sich einschlägige Bücher, doch es gibt noch unbekannte, überraschende Fundstücke. Die bekannten mit den unbekannten literarischen Spuren zu einem kleinen literarischen Museum auf der Burg zusammenzuführen, würde eine Lücke in Esslingen schließen. Es fehlt eine Lokalität, in der die Entwicklung der Stadt vom „langen 19. Jahrhundert“ bis in die 1920er-Jahre anhand literarischer Texte und biografischer Daten entsprechender Literaten illustriert werden könnte – von der Romantik bis zum Expressionismus und vielleicht auch darüber hinaus. Wer weiß schon, dass sich hinter den „Esslinger Sieben“ kein Gesundheits-Trimmtrab-Pfad verbirgt, sondern bekannte, teilweise schriftstellernde Anhänger alternativer Kulturformen um 1900. Die Erstellung der Texte, die Form der Präsentation und so weiter bedarf einiger Überlegung. Für die Aufsicht würde eine Person genügen. Die Erarbeitung eines Konzepts könnte innerhalb eines Kreises Interessierter entstehen, dem auch Vertreter der erwaltung angehören sollten.

Wein, Sekt und tollen Blick genießen
Marianne Hummel aus Esslingen: So ein Wahrzeichen der Stadt muss der Esslinger Bevölkerung und den Touristen möglichst kostenfrei zugänglich sein. Es gibt fast nichts Schöneres als den Blick vom Dicken Turm, besonders abends auf die Stadt und die Umgebung. Dazu brauchen wir kein Sternerestaurant, das eine perfekt renovierte Küche benötigt. Mein Wunsch wäre es, wenn sich die Sektkellerei Kessler mit den Weinbauern und beispielsweise dem Heimatverein Esslingen die Örtlichkeiten teilen würde. So kann der Heimatverein seine Exponate ausstellen und die Anderen schenken ihren für Esslingen so typischen Sekt und Wein an Bistrotischen aus, die an den Fenstern postiert sind, damit man den Blick genießen kann. Dazu werden kalte, kleine Snacks gereicht – dem wird die angeblich veraltete Küche
wohl gerecht werden können.

Plädoyer für Museum oder Galerie
Brigitte Schatz: Ein Museum wäre doch nicht schlecht, das Gelbe Haus will sich schließlich vergrößern. Oder eine Galerie.

Ganzjahres-Besenwirtschaft
Frank Frühauf aus Aichwald: Der Dicke Turm gehört zu einer mittelalterlichen Burg und einem fantastischen Blick auf eine mittelalterliche Stadt, umgeben von Weinbergen, verbunden mit Wein und Sekt. Ein Gourmet-Lokal muss wegen hoher Investitionskosten ausgeschlossen werden, eine einfache Restauration wäre aber wünschenswert. Mein Vorschlag: eine Ganzjahres-Besenwirtschaft mit Wein und Sekt, mit eingeschränktem typisch schwäbischem Essensangebot, Finger-Food, Vesper und Kaffee, wenn möglich im Untergeschoss. Ohne ausreichende Bestuhlung im Freien geht es nicht. Hier muss außerhalb der Burgmauer mit Blick auf die Stadt Platz geschaffen werden. Die hier angesprochene Klientel benötigt keinen Parkplatz direkt vor dem Lokal. Die oberen Räume könnten als Weinbau oder Mittelalter-Museum so gestaltet werden, dass sie auch für Events und Familienfeiern mit externem Catering genutzt werden können. Hier wäre die Stadt in der Pflicht.

Ort der Ruhe und Besinnung
Claudia Deuschle aus Esslingen: In Esslingen gibt es ausreichend Möglichkeiten, sich zu bilden, zu vergnügen oder dem Konsumrausch hinzugeben. Aber wo ist ein Ort der Ruhe und Besinnlichkeit, an den sich der gestresste Mensch zurückziehen kann, ohne dass man auf ihn mit dem Zeigefinger zeigt? Wäre die Atmosphäre im Dicken Turm und rund um den Turm ein diskreter Rückzugsraum, wo der Mensch zu sich selbst findet?

Spendenaktion mobilisiert Solidarität
Edmund Reichle aus Esslingen: Obwohl ich erst seit 2001 in Esslingen wohne, finde ich es beschämend, dass das Wahrzeichen der Stadt verrottet. Es gab in der Vergangenheit einen ähnlichen Fall in meiner Heimatstadt Ravensburg – einen Turm namens Mehlsack. Bei einer groß angelegten Spendenaktion mit klarer Zielsumme wurde von der Bevölkerung ein großer Teil der Sanierungssumme gespendet. Durch den Verkauf von Autoaufklebern würden die Solidarität mit dem Esslinger Wahrzeichen wachgerüttelt und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt werden. Natürlich wird so nicht die erforderliche Summe von über drei Millionen Euro zusammenkommen. Deshalb müsste eine Mitfinanzierung durch die Stadt im Vorfeld abgestimmt werden. Ich hoffe, dass wir bald wieder stolz auf unser Wahrzeichen sein können.

Investitionsloch soll nicht wachsen
Klaus Röck aus Plochingen: Ihr Artikel hat mich betroffen gemacht. Das Wahrzeichen der Stadt – und dafür ist kein Geld da. Man hat ja die ganzen Jahre nichts investiert. Das rächt sich nun. Da die vollgastronomische Nutzung wegen Investitionsstaus ausfällt, könnte man den Dicken Turm für Hochzeiten, Veranstaltungen von Betrieben oder Stadt und so weiter vermieten. Die Verpflegung können Catering-Unternehmen übernehmen. Dann braucht man keine Vollkücheneinrichtung. Auch ein Café tagsüber wäre eine Möglichkeit – hier ist auch keine Vollküche notwendig. Das wäre eine Einnahmequelle und Nutzung des Dicken Turmes. Allerdings bedarf es Marketingmaßnahmen. Die Stadt wäre gut beraten, regelmäßig in den Turm zu investieren und das Investitionsloch nicht noch größer werden zu lassen.

Schlechte Werbung für die Stadt
Johannes Vollmer kommentiert auf www.esslinger-zeitung.de: Was bringt die Suche nach einer Verwendung, wenn die Stadt unter Berufung auf neue Brandschutzvorschriften beziehungsweise der Infragestellung der Sicherheit der baulichen Substanz nicht bereit ist, dieses Wahrzeichen zur Nutzung freizugeben? Es sind bestimmt schon unzählige Touristen vor dem Turm gestanden, die sich wunderten, dass er geschlossen ist. Ohne weitere Hinweise auf die Gründe – aus meiner Sicht eine schlechte Propaganda für die Stadt. Und selbst wenn der Turm wieder zur Nutzung freigegeben werden sollte: Woher sollen die inzwischen mehrere Millionen kommen, die für eine Sanierung des mit der Zeit stark vernachlässigten Bauwerks investiert werden müssten? Dafür baut man doch lieber ein Glasdach am neuen Busbahnhof. Unterm Strich ist es wieder ein Zeugnis dafür, wie sehr die Stadtverwaltung in solchen Entscheidungsfragen versucht, sich rauszuwinden: „Wenn wir nicht hinsehen, gibt es auch keine Probleme und falls doch, sitzen wir sie aus.“

Fondue-Restaurant würde passen
Daniela Chlouba: Ein Fondue-Restaurant mit integriertem Weinkontor würde passen. Das Konzept ist einfach: Es gibt nur Fondue-Gerichte, das Ambiente soll urig-gemütlich sein. Das heißt, es ist keine teure und moderne Einrichtung nötig. Ebenso ist keine aufwendige Küche notwendig, da für Fondue nur Brühe oder Fett heiß gemacht oder Käse oder Schokolade geschmolzen werden muss. Die Kellner fungieren als eine Art Animateure, indem sie die Gäste betreuen und auf spaßige Weise in das Fondue-Event einweisen. Das Fondue-Konzept spricht alle Altersklassen an, auch Kinder sind begeistert. So ist die Zielgruppe sehr groß.

Aus dem Dornröschenschlaf wecken
Im Internet-Blog der EZ schreibt unser Leser Mauz: Wenn man über die künftige Nutzung des Dicken Turms nachdenkt, dann könnte auch eine Übergangslösung mit einem Café in den Wehrgängen angedacht werden. Ausstellungen mit Bezug auf die Weinberge oder mit Architekturbezug auf die wunderschönen klassischen Gebäude rund um die Burg wären denkbar. Auch sollte das Konzept des Inneren Burgplatzes einmal überdacht werden. Ansätze für einen Theaterplatz gibt es ja schon. Besonders erinnere ich mich noch an die Zeiten, als der Innere Burgplatz noch ein echter Burgplatz mit einem Bolz- und Reitplatz und der großen breiten Holzsitz-Treppe war und nicht dieser unpassende Blumenteppich im seltsam abfallenden Gelände, das dem Charakter einer Burganlage völlig widerspricht. Warum musste alles in Kreisform angelegt werden, wo gerade die Burganlage selbst die richtige Grundstruktur vorgibt? Ich glaube, das würde man heute deutlich besser lösen können unter Einbeziehung von Kino, Theater und Musik. Genügend gelungene Beispiele gibt es ja. Danke für dieses Brainstorming – verbunden mit der Hoffnung, dass sich daran auch Architekten, Landschaftsgärtner und Konzeptentwickler beteiligen. Die Burg muss wieder aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden.

Gute Adresse für das Stadtmuseum
Werner Enenkel: Der Dicke Turm als gastronomisches Ereignis gehört sicherlich der Vergangenheit an. Zu hohe Sanierungs- und Modernisierungskosten schrecken jeden Investor ab. Zu reinen Wohnzwecken ist das Objekt wahrscheinlich auch zu groß. Mein Vorschlag: Der Dicke Turm sollte zukünftig das Esslinger Stadtmuseum beherbergen. Die dafür notwendigen Aufwendungen für Aufzug, Toiletten und museumsgerechte Ausstattung halten sich in Grenzen und wären sicherlich im Haushalt planbar. Er wäre als Stadtmuseum gleichzeitig Ausgangspunkt für eine Stadterkundung, nachdem man sich von oben einen Überblick verschafft hat. Und die Räumlichkeiten im Gelben Haus wären frei und könnten die Stadtbibliothek aus ihrer räumlichen Enge befreien.

Hört auf die Vorschläge der Bürger
Benjamin Grandl: Jugendherberge, Galerie, Museum, Café – alles großartige Vorschläge der Bürger. Hört auf sie und setzt sie um. Eine gehobene Gastronomie ist in diesem Gebäude mangels viel zu kleiner Küchenfläche schlichtweg nicht möglich.

Weblog: Das Internet-Forum zum Dicken Turm ist weiter geöffnet. Schreiben Sie uns Ihre Ideen, wie der Turm zukünftig genutzt werden könnte, unter http://blog.esslinger-zeitung.de

Dicker Turm von oben

Der Dicke Turm prägt nicht nur die Silhouette der Stadt, sondern auch das Bild der Esslinger Burg, die sich auf diesem Luftbild aus einer ungewohnten Perspektive zeigt. Foto: Franke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert