Lift: Ein dickes, dickes Ding
Ein dickes, dickes Ding
24. Dezember 2015
Pressefoto Stuttgarter Nachrichten
Dicker Turm hat seinen Glanz verloren
24. Dezember 2015

Turmwächter trommeln für den Erhalt des „Dicken Turms“

Wie quirlige Internet-Initiativen Impulse setzen

Viele Esslinger ziehen für die Renovierung des „Dicken Turms“ an einem Strang. Um das Wahrzeichen aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken, legen sich nicht nur Verwaltung, Esslinger Wohnungsbau GmbH und Burgverein ins Zeug. Aus Facebook heraus wurde die Initiative „Turmwächter“ ins Leben gerufen.

Nicht nur Institutionen, Wirtschaft oder Vereine spielen heutzutage eine Rolle, wenn Herzensanliegen vieler Menschen Wirklichkeiten werden sollen. Auch Online-Communities liefern wichtige Impulse und können einen Stein ins Rollen bringen (etwa als „Single-Issue Campaign“). Global hat die „ALS Ice Bucket Challenge“ („Eiskübelherausforderung“) hohe Wellen geschlagen und lokal längst auch Esslingen erreicht.

Michael Metzler (EST-Geschäftsführer), Max Pickl (Schul- und Sportamt), Dominik Völker (SWE-Prokurist) und Thomas Isele (SWE-Geschäftsführer) haben die kalte Dusche schon über sich ergehen lassen. Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger hat zwar gekniffen, aber gespendet, und mutmaßlich haben sich inzwischen noch mehr Esslinger und Lokalprominente nicht bitten lassen. Vor Ort haben die Lebenshilfe Esslingen und die Diakonie- und Sozialstation profitiert. Die Spendenkampagne soll auf die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) aufmerksam machen und Spendengelder für ihre Erforschung und Bekämpfung generieren.

Auch lokal können Internet-Initiativen Anstöße liefern und Kreise ziehen. Das Internet eröffnet Berufstätigen im Alter von etwa 40 bis 50 Jahren, die häufig auch in der Familie stark gefordert sind, neue Optionen sich zu engagieren, jenseits des engen Zeitkorsetts, das mit Vereinsarbeit verbunden sein kann.

Ein positives Beispiel geben die „Turmwächter“: Petra Helmcke und Holger Haug haben die Initiative im Januar aus der Taufe gehoben und so den Startschuss für die diesjährigen Anstrengungen rund um die Dicken Turm gegeben, dessen charakteristischer „Helm“ auf das Vorbild der Nürnberger Turmbauten zurückgeht. Die ehrenamtliche Initiative kann nicht viel Geld zuschustern, sondern fokussiert sich aufs Marketing. Sie ist aus der Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du ein Esslinger bist, wenn…“ heraus entstanden. Haug habe dort die Verwahrlosung des Dicken Turms angeprangert, so Helmcke, sie selbst sei aufgesprungen – und viele andere Esslinger ebenso. „Wir waren über den Zulauf überrascht“, sagte Helmcke bei einem Vor-Ort-Termin am Turm.

Die eigene Facebook-Gruppe heißt „Turmwächter – Esslinger für ihren Dicken Turm!“. Interessierte Facebook-Nutzer können sich für die geschlossene Gruppe anmelden, die rund 230 Mitglieder hat, darunter, so Helmcke, seien kaum Senioren, sondern ganz Junge und der größte Teil im Alter zwischen 40 und 50 Jahren. Einen Mitgliedsbeitrag gibt es nicht. Der „harte Kern“ sind bis zu zehn Aktive, die ehrenamtlich für den Dicken Turm viel Zeit investieren.

Oberbürgermeister Zieger habe die Gruppe im März zum Gespräch eingeladen, so Helmcke, und zwei Wochen später den Burgverein beauftragt, in dem er stellvertretender Vorsitzender ist, sich des Dicken Turms anzunehmen. Auch mit dem Burgverein haben sich die „Turmwächter“ zusammengesetzt. Sie haben Überlegungen verworfen, einen eigenen Verein zu gründen, der letztendlich dasselbe Ziel hat. Doch die Initiative bleibt am Ball. Risiken sieht sie im wuchernden Efeu am Turm. Viele Esslinger machen sich in unterschiedlichen Formen für den Erhalt und die Renovierung des Turms stark. Zuletzt wurde er lange Jahre bis 2012 von Gastronomen genutzt, gegenwärtig steht er leer und ist für die Öffentlichkeit geschlossen.

Öffentlicher Zugang angemahnt
Wie soll der Dicke Turm künftig genutzt werden? Verschiedene Ideen stehen im Raum und zur Debatte. Soll wieder eine Küche eingebaut werden? Wird ein zweiter Fluchtweg benötigt? „Wir möchten, dass der Turm wieder begehbar gemacht wird“, so Helmcke. Die Initiative fordert die vollständige Zugänglichkeit des Turms für die Öffentlichkeit.

„Ein Gesamtkonzept muss her“, sagt auch Jörg Fabricius von der Initiative. Seiner Ansicht nach macht „Großgastronomie“ an dem Standort keinen Sinn. Denkbar sei ein Festsaal etwa für Lesungen, Kleinkonzerte und Darbietungen, und auf der anderen Ebene eine Außenstelle des Standesamtes für Hochzeiten. Das Baudenkmal setzt allen Ideen gewisse Grenzen. Bei einer öffentlichen Nutzung muss Barrierefreiheit hergestellt werden (neuer Aufzug). Außer Frage steht die Attraktivität des Turms als Aussichtsplattform, für Esslinger und Touristen.

Vorschläge und einen Fahrplan für die neue Nutzung soll ein Gutachten der Firma „AeDis“ liefern – eine Zwischenbesprechung dazu hat im August stattgefunden. Dann wird feinjustiert, auf welcher Schiene weitergearbeitet werden soll. Momentan stellen die hohen Brandschutzauflagen im Zusammenhang mit dem Denkmalschutz das Hauptproblem dar. „Mit der Nutzung steht und fällt letztendlich die Höhe der Ausgaben“, so Helmcke. Daher sind bei den Renovierungskosten unterschiedliche Zahlen im Gespräch.

Nachdem verschiedene Seiten in Esslingen so viel Druck aufgebaut haben und eine Eigendynamik entstanden ist, scheint außer Zweifel zu stehen, dass sich eine Lösung findet und der Dicke Turm renoviert wird, in welcher Rechtskonstruktion und mit welchem betriebswirtschaftlichen Konzept auch immer. Doch eine längere Wegstrecke steht noch bevor. Dass Millionenbeträge fließen müssen, steht außer Frage. Engagement bleibt vonnöten.

„Turmwächter“ führen am Tag des offenen Denkmals (14. September) um 11, 12, 13 und 14 Uhr durch den „Dicken Turm“. Eine Voranmeldung ist nicht erforderlich. Teilnehmer sollten gut zu Fuß sein. Bei Interesse empfiehlt es sich, rechtzeitig vor Ort zu sein. Auflage sind, nicht mehr als 25 Personen pro Führung. Helmcke und Fabricius kennen die Geschichte des Turms in den letzten Jahrzehnten und den aktuellen Stand bis ins Detail hinein.Die Führungen sollen etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde dauern.

Die Initiative verkauft an dem Tag Aufkleber zu ihren Gunsten. Zu den „Turmwächtern“ zählen auch Svenja Fleckenstein, Marc Asim Soysal, Heidi Reitenbach, Denis Kussmann und Claudia Ramming. Weitere Infos zur Gruppe stehen online auch unter www.dickerturm.com.

Neue Stadtführung mit Turmbesichtigung
Das Esslinger Stadtmarketing (EST) bietet anlässlich des 700-jährigen Jubiläums der Esslinger Burg 2014 eine neue Stadtführung an. „Esslinger Burg und mittelalterliche Stadtbefestigung mit Besichtigung des Dicken Turms“. Sie dauert insgesamt eineinhalb Stunden und startet direkt am Turm. Tickets gibt es für 11 Euro in der Stadtinformation am Marktplatz. Ein Euro des Ticketpreises wird dabei für den Erhalt der Esslinger Burg und
des Dicken Turms verwendet. Die nächsten Termine sind für den 21. September, den 5. und den 19. Oktober vorgesehen. Das neue Angebot ist zudem für Gruppen auf Anfrage buchbar (Preis 95 Euro pauschal / maximal 25 Personen, zuzüglich ein Euro pro Person). Für alle Angebote wird um eine verbindliche Voranmeldung in der Stadtinformation im Späth’schen Haus gebeten.
Text/Fotos: Dieter Pohl

Pressebild Nussbaum 01

„Turmwächter“ vor verschlossener Tür: Petra Helmcke (links) und Jörg Fabricius am Eingang zum Dicken Turm. Text/Fotos: Dieter Pohl

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