Der Dicke Turm hat dicke Freunde
(r) Der Dicke Turm wurde 1527 nachträglich zur 1314 erstmals erwähnten Esslinger Burg dazu gebaut und war bald die „Hauptzierde“ der Stadt. 1788 wurde er erneuert und 1887 erhielt er mit dem Turmhelm die heutige Form. 1976 wurde in der Turmstube ein Restaurant eröffnet. Wie man auf dem Schild im Dicken Turm lesen kann wurde das ermöglicht durch: Die Initiative, tatkräftige und finanzielle Mithilfe der Bürgerschaft, durch Gemeinderat, Waldhornbrauerei, das Landes BW und der Bundesrepublik Deutschland. Der Dicke Turm war dann in den 70er und 80er Jahren eine sehr beliebte Adresse für alle, die gutes Essen im stilvollen Rahmen lieben. Viele Esslinger feierten dort in exponiertem Bilderbuchambiente und mit tollen Blick auf die Stadt runde Geburtstage und Hochzeiten.
Die Zeiten sind längst vorbei. Der letzte Pächter musste vor gut einem Jahr aufhören, die Sicherheitsbestimmungen für eine öffentliche Nutzung werden nicht mehr erfüllt. Es gibt keinen 2. Fluchtweg und Barrierefreiheit bis zur großen Gastraum ganz oben ist nicht gegeben. Der Lift hört ein Stockwerk darunter auf und ist zudem defekt und müsste erneuert werden. „Allein für die Barrierefreiheit bis ganz oben, für die Einrichtung eines 2. Fluchtwegs und für die haustechnische Sanierung wären 2,5 Mio Euro notwendig“, erklärt Monika Fleischer von der Städtischen Gebäuden Esslingen (SGE), die den Dicken Turm betreuen. „Dieses Geld für den Dicken Turm nun in die Hand zu nehmen ist der Stadt nicht möglich, da haben Investitionen in Bildung und Betreuung Priorität.
Doch natürlich lässt man den Dicken Turm nicht im Stich, ihn gar vergammeln oder verfallen, wie es derzeit von der Bevölkerung teilweise der Stadt vorgeworfen wird.“ Monika Fleischer betont: „Die SGE sorgt für den Substanzerhalt des Dicken Turms, es gibt keinen Feuchtigkeitseintritt, keinen Schimmel – die Mauern sind in einwandfreiem Zustand.“ Davon konnten sich vor Kurzem auch Vertreter der Projektgruppe „Turmwächter“ überzeugen.
Schritt für Schritt aus dem Dornröschenschlaf
Könnten die „Turmwächter“ Nachfolger der tatkräftigen Bürgerschaft im Jahr 1976 sein? Die engagierten Esslinger haben sich zusammengefunden, um den Dicken Turm wieder erlebbar zu machen. Der Initiator der „Turmwächter“ war Holger Haug. „Ich habe als Kind hier immer gerne gespielt. Nach einem (vergeblichen) Besuch des Dicken Turms und der Beobachtung, wie viele einheimische und auswärtige Besucher kopfschüttelnd vor verschlossenen Türen stehen, dachte ich mir: hier muss doch etwas passieren.
Auf Facebook äußerte ich mein Bedauern darüber, dass der Dicke Turm für die Öffentlichkeit zugeschlossen ist und erhielt daraufhin sofort viel Zustimmung.“ Das Thema bewegt viele Esslinger. Das ist auch aus der regen Beteiligung ersichtlich, die die Suche nach Vorschlägen einer neuen Nutzung in der Esslinger Zeitung erfährt. Die „Turmwächter“ wollen der Stadt nicht nur Vorschläge machen, sondern mit fachmännischem Wissen ehrenamtlich die Möglichkeiten abchecken, wie der Dicke Turm aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden könnte und eventuell auch Gelder für die Umsetzung einer wirtschaftlichen Nutzung mobilisiert werden können. Als gelernte Bankkauffrau bringt z. Bsp. Petra Helmcke ihr kommunalpolitisches Wissen und ihr kaufmännisch-betriebswirtschaftliches Denken mit ein. Als Rechtsanwältin kann Claudia Ramming bei der Schaffung der erforderlichen Strukturen ihr Rechtswissen einbringen.
Erste Gespräche in Bezug auf Vereinsanschluss mit dem Burgverein haben schon stattgefunden. Die Architektin Svenja Fleckenstein betont, dass die „Turmwächter“ keine bestimmte Nutzung favorisieren, sondern mit ihren Expertenmeinungen verschiedene Lösungen einschätzen wollen. „Wie ist das dann jeweils mit dem Brandschutz und mit der Infrastruktur? Wir können uns vorstellen, step by step eine Erlebbarkeit zu ermöglichen“, erklärt die Architektin Svenja Fleckenstein und freut sich über die Aufgeschlossenheit der Stadt, die – allen voran OB Dr. Jürgen Zieger der Gruppe Unterstützung zugesagt hat. Relativ schnell umsetzbar scheint den „Turmwächtern“ die Möglichkeit, Führungen anzubieten. So freut sie sich darüber, dass die Esslinger Stadtmarketing ihre Führungen im Zusammenhang mit dem 700- jährigen Jubiläum der Burg auch in den Dicken Turm leiten wird. „Für Führungen mit bis zu 20 Personen braucht man keinen 2. Fluchtweg.“ Monika Fleischer erklärt weiter: „Es wird eine Beleuchtung installiert und das Mobilar weggeräumt – es entstehen also geringe Kosten.“
Charme der 70er Jahre
Bei dem Gang durch den Turm mit Monika Fleischer wird ersichtlich, was alles getan werden müsste, um den Turm wieder wirtschaftlich zu nutzen. Heizung und Lüftung funktionieren, arbeiten aber gegeneinander und nicht effektiv. Der ganze Treppenaufgang hat noch den rustikalen Charme der 70 er Jahre. Die Toiletten sind in Ordnung, aber eben auch im Stil der 70er Jahre, genauso wie die Turmstube und die Bürgerstube mit Rauputz, rustikalem dunklen Holzdekor, Teppichboden und antiquiertem Mobilar.
Monika Fleischer zeigt auch, wo ein 2. Fluchtweg bis unters Dach möglich wäre. „Durch einen Kuchenstück förmigen Ausschnitt würde man auf die die Fluchttreppe im unteren Stock stoßen, die in den Seilergang führt. Dann würde allerdings gerade der Teil der Gaststätte mit dem schönsten Blick wegfallen.“ Svenja Fleckenstein und Holger Haug freuten sich, dass ihnen dieser Einblick ermöglicht wurde und Svenja Fleckenstein will nun mit diesen Informationen und anhand der digitalen Pläne des Turms, die sie von Monika Fleischer bekommt, die „Schritt für Schritt“ – Möglichkeiten weiter prüfen. Die Gruppe freut sich über Mitstreiter und über Leute, die ihre Sachkompetenz einbringen wollen. www.dickerturm.com
Titelfoto: Aufgeschlossen: Monika Fleischer zeigt Holger Haug und Svenja Fleckenstein den Dicken Turm von oben bis unten.