Montag, 29. März 2021
Von Alexander Maler
Zehn Jahre lang lag er im Dornröschenschlaf – nun wird der Dicke Turm wieder wachgeküsst: Die ersten Etappen einer aufwendigen Innensanierung des Esslinger Wahrzeichens sind geschafft, die Burgstube kann wieder genutzt werden. Oder besser: könnte. Denn obwohl der kleine Saal mit dem reizvollen Panoramablick über die ganze Stadt nun wieder für private Feiern, kleine kulturelle Highlights, Seminare oder Tagungen für bis zu 50 Personen zur Verfügung steht, ist wegen Corona an eine offizielle Wiedereröffnung noch nicht zu denken. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis in den Dicken Turm wieder Leben einkehren wird. Mit dem malerischen Turmsaal in der obersten Etage will die Stadt den letzten Sanierungsschritt möglichst rasch angehen. Rund 600 000 Euro sind dafür noch nötig – die Hälfte soll aus Spenden finanziert werden. „Das sollte zu schaffen sein“, findet Oberbürgermeister Jürgen Zieger und setzt dabei auf breite Unterstützung Denn der Dicke Turm gilt als Paradebeispiel für bürgerschaftliches Engagement. Dabei hatten anfangs nicht viele darauf gewettet, dass eine Sanierung in absehbarer Zeit möglich wird: 2011 musste die Gastronomie im Dicken Turm schliessen, und mit Blick auf den Sanierungsstau und die verschärften Anforderungen an den Brandschutz winkte man im Rathaus ab – kein Geld. Doch die Stadt hatte die Rechnung ohne die Bürger gemacht: Engagierte Esslingerinnen und Esslinger gründeten die Initiative Turmwächter, sammelten Unterschriften und Spenden und rückten ihren „Dicken“ gegen manche Widerstand wieder in den Fokus.
Jeden Spenden-Euro verdoppelt
Und plötzlich kam Bewegung in die Sache Der Burgverein mobilisierte Spenden, die Turmwächter trommelten weiter, und mit Ingo Rust kam ein neuer Finanzbürgermeister, der ein Konzept für die Gesamtsanierung der Esslinger Burg vorlegte. Drei wesentliche Bausteine: Die Sanierung wurde in mehrere machbare Etappen aufgeteilt, die Stadt beschloss, die Kosten für die Außensanierung der Burganlage zu übernehmen. Und der Gemeinderat entschied, jeden Euro, der für die Innensanierung des Dicken Turms gespendet wird, zu verdoppeln. Seither ließen Burgverein, Turmwächter, die Firma Festo, die Familie Entenmann, die Esslinger Wohnungsbau sowie zahlreiche kleinere Spender und Aktionen mehr als eine halbe Million Euro in der Spendenkasse klingeln Die Stadt legte denselben Betrag drauf und sagte zu, Baukostensteigerungen zu übernehmen. „So konnten wir die Sanierung schrittweise angehen und immer wieder kleine Zeichen setzen“, sagt Rust.
Etwa eine Million Euro wurden in die ersten Sanierungsetappen investiert. „Da ging es nicht nur um Pinsel und Farbe“, betont der OB, der die vielen Unterstützer lobt: „Ohne das Engagement von Turmwächtern, Burgverein und viele anderer wären wir noch lange nicht so weit.“
Wer sich im Turm umschaut, stellt fest, dass sich schon viel getan hat: Ein neuer Windfang beschert dem historischen Gemäuer ein zeitgemäßes Entree. Das Treppenhaus erstrahlt in neuem Glanz. Über den Seilergang wurde der unerlässliche zweite Fluchtweg geschaffen. Ein neuer Aufzug sorgt für barrierefreien Zugang zur Burgstube. Und auch die ist nicht wieder zuerkennen: Wo bislang der angestaubte Charme der späten 70er-Jahre das früher etwas düstere Bild bestimmt hatte, dominieren nun helle Farben. Ein Parkettboden setzt warme Akzente. Die moderne Be- leuchtung fügt sich ebenso wie die energetisch sanierten Fenster und die einladenden Glastüren harmonisch ins historische Ambiente ein. So wirkt alles großzügiger. Die alte Küche ist Geschichte – künftig werden Veranstaltungen im Turm von Caterern bewirtet. Dafür steht eine Anrichte Küche bereit. Die Haustechnik und die sanitären Einrichtungen wurden erneuert. Und ein kleiner Kniff am Rande: Nun gibt auch eine Dusche im Dicken Turm – bei Konzerten auf der Burg kann die Burgstube so zur Künstlergarderobe werden.
Der Turmsaal wartet noch
Als sich Jürgen Zieger und sein Finanzbürgermeister Ingo Rust, der sich als Vize-Vorsitzender des Burgvereins in doppelter Funktion für den Dicken Turm einsetzt, nun vor Ort vom bisherigen Erfolg der Innensanierung überzeugten, waren sie zufrieden: Das ist einer der schönsten Veranstaltungsorte der ganzen Stadt geworden. Doch es gibt noch viel zu tun, denn in der oberen Etage wartet der malerische Turmsaal weiter auf seine Renovierung Rund 600 000 Euro haben die Experten des Eigenbetriebs Städtische Gebäude kalkuliert, um den repräsentativen Raum mit Rundumblick wieder nutzbar zu machen – bis zu 199 Besucher können den Dicken Turm dann nutzen: Dazu muss unter anderem ein weiterer Aufzug von der Burgstuben-Etage zum Turmsaal eingebaut werden, alles soll heller und transparenter werden, die harmonische Verbindung traditioneller und moderner Gestaltungselemente soll auch hier gelingen. „Wir sind relativ schnell relativ weit vorangekommen“, freut sich OB Jürgen Zieger. Er hoffe nun, dass Corona möglichst rasch eine offizielle Wiedereröffnung zulassen wird.
Bei der Kultur und Kongress GmbH Esslingen live kann die Burgstube bereits für Veranstaltungen bis zu 50 Personen reserviert werden – Termine werden unter dem Vorbehalt vereinbart, dass das Infektionsgeschehen Veranstaltungen dann zulässt. Die Grundmiete für bis zu acht Stunden kostet 330 Euro. Dauert die Veranstaltung inklusive Auf-und Abbau maximal fünf Stunden, sind es 290 Euro. www.esslingenlive.de
Der duster angestaubte Charme der 70er-jahre ist gewichen – Finanzbürgermeister Ingo Rust weiß das neue Flair der renovierten Burgstube zu schätzen. Fotos: Ines Rudel