Von Alexander Maier
Esslingen. Weiterhin sichtbar thront der Dicke Turm über der Esslinger Altstadt. Und wer genau hinschaut, kann auch aus der Ferne ein Baugerüst an der Außenfassade erkennen. Die provisorische Metallkonstruktion signalisiert, dass die Handwerker zum Endspurt bei der Sanierung des Turms blasen.
Seit 2019 wird das Esslinger Wahrzeichen wieder auf Vordermann gebracht – erste Erfolge sind bereits zu sehen. Von Oktober an soll sich auch der repräsentative Turmsaal in neuem Glanz präsentieren. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren – eine 40.000- Euro-Spende des Burgvereins bringt auf der Zielgeraden Rückenwind.
Seit Beginn der Sanierungsarbeiten 2019 hat sich am Dicken Turm schon einiges getan: Ein zeitgemäßes Entree ist entstanden, das Treppenhaus erstrahlt in neuem Glanz, über den Seilergang wurde ein zweiter Fluchtweg geschaffen. Die Burgstube ist bereits saniert und barrierefrei erreichbar. Die alte Küche ist Geschichte, Veranstaltungen werden nun verpflichtend von Caterern bewirtet, was für die städtische Kultur- und Kongress-Gesellschaft Esslingen live die praktischste Lösung ist, selbst organisierte und damit oft günstigere Bewirtung allerdings ausschließt.
2024 hat die Stadt die dritte und letzte Etappe der Sanierung, für die rund 900.000 Euro veranschlagt sind, in Angriff genommen und den großen Turmsaal zunächst weitgehend entkernt. Die unansehnlichen Bodenbeläge und die Einbauten ais den 1970er-Jahren wurden ausgebaut, der mächtige Leuchter wurde höher gesetzt, was den Raum luftiger wirken lässt. Manche wollten die mächtige Konstruktion ganz entfernen, doch Ingo Rust, Finanzbürgermeister und Vize-Vorsitzender des Burgvereins, hatte für den Erhalt geworben: „Der Leuchter ist prägende für den Dicken Turm. Für viele Esslingerinnen und Esslinger, die ihn schon lange kennen, gehärt er ganz selbstverständlich dazu“.
Brandschutz und Barrierefreiheit im Blick
Ein Aufzug und eine zusätzliche Treppe verbinden künftig die Burgstuben-Etage mit dem Turmsaal. „Mit diesem zusätzlichen Rettungsweg erfüllen wir die Vorgaben des Brandschutzes und schaffen durch den Lift einen barrierefreien Zugang“, erklärt Projektleiter Philipp Kopper. In einem Teil des achteckigen Turmsaals entsteht ein Cateringbereich. Die weiteren Bereiche des Turmsaals erhalten Landhausdielen als Boden und einen frischen Anstrich: Sie sollen später ähnlich ausgestattet sein wie die bereits sanierte Burgstube. Und auch energetisch soll sich einiges tun: Weil ein großer Teil der Außenwände des Turmsaals aus Fensterflächen besteht, werden die alten, teils schadhaften Fenster durch denkmalgerecht ausgewählte neue Isolierglasfenster ersetzt, die den Energieverbrauch des historischen Gebäudes deutliche senken.
Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten dürfen maximal 199 Gäste den Dicken Turm auf allen Ebenen gleichzeitig nutzen. Der Turmsaal selbst wird für bis zu 90 Personen in Bankett-Bestuhlung empfohlen, in Reihenbestuhlung für bis zu 150 Personen. Ein Teil des überdachten Seilergangs mit Blick über die Altstadt kann etwa für einen kurzen Sektempfang genutzt werden. Zur Ausstattung des renovierten Turmsaals gehören eine neu installierte Elektrotechnik, moderne Beleuchtung und eine zeitgemäße IT-Infrastruktur mit Glasfaseranschluß. So könnte der Turmsaal in Krisensituationen sogar als städtisches Lagezentrum genutzt werden, falls die reguläre Zentrale einmal ausfallen sollte.
Vorbildliches Esslinger Gemeinschaftsprojekt
Für OB Matthias Klopfer ist die Turmsanierung „ein tolles Beispiel für das, was man mit einem Gemeinschaftsprojekt erreichen kann“. Dass sich der Turm50 Jahre nach seiner letzten Sanierung wieder in neuem Glanz präsentieren wird und damit auch beim Stadtjubiläum 2027 eine Rolle spielen könnte, mache das Projekt noch charmanter. Wie gute der Dicke Turm angenommen wird, unterstrich Ingo Rust: Allein die Burgstube verzeichne schon jetzt jährlich 60 bis 70 Vermietungen. „Und ich bin sicher, dass man auch den Turmsaal lange im Voraus reservieren muss, weil er so stark gefragt sein wird“, prophezeite Rust.
650.000 Euro hatten sich die Stadt, der Burgverein und die Turmwächter als Spendenziel gesetzt – mit den 40.000 Euro, die der Burgvereins-Chef Hagen Schröter nun übergab, wird dieses Ziel sogar knapp übertroffen. Dass die vorerst letzte Spendenetappe so erfolgreich absolviert wurde, ist nicht zuletzt dem Esslinger Claus Brodt zu danken, der einen stattlichen Beitrag zur Sanierung des Dicken Turms hinterlassen hatte.
Und auch wenn das Ziel nun erreicht ist, wollen Burgverein und Turmwächter weiterhin am Ball bleiben. „Wir können uns auch manches vorstellen, was Unterstützung brauchen könnte“, meint Schröter augenzwinkernd.
Finanzbürgermeister Ingo Rust, Burgvereins-Chef Hagen Schröter und sein Vorstandskollege Harald Scherer, OB Matthias Klopfer und Projektleiter Philipp Kopper (von links) freuen sich, dass das Spendenziel für den Dicken Turm erreicht ist. Foto: Roberto Bulgrin
Der Dicke Turm im Wandel der Zeit
Geschichte Die Esslinger Burg und mit ihr der um 1527 gebaute Dicke Turm gehört zur einstigen Stadtbefestigung. Anfangs hatte der Turm mit seinen bis zu sechs Meter dicken Mauern ein flaches Kegeldach, das jedoch um 1800 wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste. 1887 entstand die heutige Haube, der Turm diente fortan als Aussichtsplattform. Zum Stadtjubiläum 1977 wurden der Innere und der Äußere Burgplatz aufwendig renoviert. Der Dicke Turm beherbergte danach ein Restaurant, das nicht nur dank seiner schönen Aussicht eine der besten gastronomischen Adressen in Esslingen war – viele Bürgerinnen und Bürger haben dort ihre wichtigsten Familienfeste gefeiert.
Gegenwart 2011 wurde das Restaurant im Dicken Turm geschlossen, neue Pächter fanden sich nicht. Lange schien es, als sollte sich daran so rasch nichts ändern. 2014 gründete Petra Helmcke zusammen mit vielen Freunden des Esslinger Wahrzeichens die Initiative Turmwächter, die später zum Verein wurde und sich (zunächst gegen einige Widerstände aus dem Rathaus) für die Sanierung des Turms engagierte. Der Burgverein, der sich zunächst auf den Seilergang konzentriert hatte, machte den Dicken Turm ebenfalls zu seinem Anliegen. Ein entscheidender Schritt gelang, als der Gemeinderat 2018 beschloss, jeden gespendeten Euro zu verdoppeln.
Zukunft Die Burgstube kann bereits für private Feiern, Seminare und Tagungen mit bis zu 50 Personen gebucht werden. Der repräsentative Turmsaal wird derzeit aufwendig renoviert und soll vom vierten Quartal 2025 an ebenfalls bei Esslingen live gemietet werden können.