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Auf den letzten Stufen zum Turmsaal (Esslinger Zeitung vom 07.02.2023)

Auf den letzten Stufen zum Turmsaal.

Die Sanierung des Dicken Turms auf der Esslinger Burg macht Fortschritte. Aber noch ist das Sahnehäubchen, die oberste Etage mit dem imposanten Rundumblick auf die Stadt, eine Baustelle. Das könnte sich bald ändern – wenn genug Geld beisammen ist.

Von Johannes M. Fischer

Esslingen. Der Dicke Turm ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen Esslingens. Feierlichkeiten waren dort lange Zeit gang und gäbe, das Restaurant hatte einen guten Ruf. Bis es plötzlich bergab ging und eine Tageszeitung titelte: „Der Dicke Turm hat seinen Glanz verloren.“ 2011 warf der letzte Pächter das Handtuch, seitdem versucht die Stadt, den Dicken wieder flott zu machen. Jetzt biegt sie auf die Zielgerade ein: Alles deutet darauf hin, dass schon bald das Geld zusammengesammelt ist, das benötigt wird, um auch den Raum direkt unter dem Dach wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Etage tiefer – gleichfalls mit fantastischem Blick auf die Stadt – ist dies in der Burgstube schon seit dem Frühjahr 2021 möglich.

Die Sanierung des Dicken Turms in der Esslinger Befestigungsanlage ist ein Teil der Gesamtsanierung des Geländes, das im Volksmund einfach nur Burg genannt wird, auch wenn es streng genommen keine Burg ist. Fakt aber ist, dass die Anlage über das ganze Jahr Besucher anlockt. Auch die Esslinger selbst lenken oft ihre Spaziergänge auf den mit einem kleinen Weinberg bepflanzten Hügel. Im Innengelände finden immer wieder Freilicht-Veranstaltungen statt, unter anderem das Kino auf der Burg. Zudem gibt es auf dem Gelände ein Restaurant mit Biergarten.

Seitdem nun auch wieder Feierlichkeiten im Dicken Turm möglich sind, ist das Areal noch attraktiver geworden. Bis zu 50 Menschen können in der Burgstube feiern. Allerdings wird es aus baurechtlichen Gründen keine Küche mit Herd im Turmgeben, Catering ist aber möglich. Insgesamt 60 Mal wurde seit 2021 dort gefeiert, mehrmals wurde der Raum auch für eine Besprechung in besonderem Ambiente gebucht. Eine Acht-Stunden-Buchung kostet zurzeit 330 Euro. Dazu kommen noch Catering und die Kosten für Technik. „Das ist kostendeckend – wir verdienen damit nichts“, beteuert Ingo Rust, der in Esslingen als Finanzbürgermeister und als Vize-Vorsitzender des Burgvereins in doppelter Hinsicht Verantwortung für das Gebäude trägt. Verwaltet wird der Turm von Esslingen live, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Stadt Esslingen.

Die blickt bereits gespannt auf die letze Sanierungsetappe, die durch eine Großspende eingeleitet werden könnte. Noch ist nichts in trockenen Tüchern, aber die Signale scheinen deutlich zu sein, entsprechend groß ist die Zuversicht bei Rust und dem Geschäftsführer von Esslingen live, Johannes Schneiderhan. Da die Spenden für die Innenrenovierung von der Stadt verdoppelt werden, hätte diese Gabe die Wirkung eines Schlusssteins: Das Spendenziel wird bald erreicht sein, die konkrete Planung für das Edelzimmer unter dem Dach – dem Turmsaal – kann angeleiert werden. Insgesamt kalkulierte die Stadt mit Kosten in Höhe von 600 000 Euro für die Innensanierung des Raumes. Aufgrund der Preissteigerungen allerorten könnte es aber auch hier teurer werden. Kein Problem, findet Rust, denn die Stadt hat schon zugesagt: Die Differenz wird sie ausgleichen. Wenn also alles so kommt wie erhofft, dürfte es schon bald die ersten Ausschreibungen geben. In zwei Jahren – also 2025 – könnte die Sanierung abgeschlossen sein, schätzt Rust. „Auf jeden Fall zum Stadtjubiläum“, fügt er sicherheitshalber hinzu. Das findet 2027 statt. Esslingen feiert dann sein 1250-jähriges Bestehen.

Im Turmsaal könnten dann fast 200 Menschen feiern. Auch wenn der Raum heute eher an eine Baustelle erinnert mit dem Charme der 1970er Jahre, so ist das Potenzial dennoch nicht unübersehbar. Den Aufbau vorwiegend aus Holz gibt es „erst“ seit knapp 150 Jahren, nachdem um 1800 herum der baufällige Dachstuhl abgebrochen werden musste. Erstmals urkundlich erwähnt wird die „Burg“ Anfang des 14. Jahrhunderts, also im späten Mittelalter.

Vom Turm aus gelangt man durch eine Seitentür direkt auf den sogenannten Seilergang. Auch von hier bietet sich ein imposanter Blick auf den Weinberg und die darunter liegende Altstadt. Ein geeigneter Ort für einen Sektempfang, findet Rust. Tatsächlich wird dies von Gästen, die die Burgstube gemietet haben, auch genutzt. Über den lang gezogenen Gang, wo einst die Esslinger Seiler ihre Seile herstellten, gelangt man zur Hochwart, die aber nicht mit angemietet werden kann. Sie hat eine andere Funktion: Die kleine, mehrstöckige Wohnung auf der Mauer der Burg gehört zu den außergewöhnlichsten und faszinierendsten Behausungen der Stadt. In frühen Zeiten lebte hier ein Hochwächter, der die Bewohner rechtzeitig warnen sollte, wenn der Feind anrückt oder ein Feuer ausbricht. Heute darf hier ein Stipendiat für mehrere Monate leben, der sich unter anderem mit Stadt- und Architekturgeschichte in Süddeutschland beschäftigt.

Mit der Burg wollte sich die damals freie Reichsstadt vor Auseinandersetzungen mit Württemberg wappnen. Der Streit mit den Württembergern zog sich über mehrere Jahrhunderte.

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