Die Geschichte

DICKER TURM HISTORIE

Um das Jahr 1228 etwa, wird Esslingen von Kaiser Friedrich II aus dem Adelsgeschlecht der Staufer zur Stadt erhoben. Damit gehörte Esslingen zum Heiligen Römischen Reich, womit Streitigkeiten mit den lokalen Fürsten und Herzögen zu erwarten waren. Daher wurde durch die Staufer sehr schnell der Bau einer Stadtbefestigung in die Wege geleitet, welche erstmals 1241 urkundlich erwähnt wurde. Der Bau erfolgte in zahlreichen Etappen. Man muss sich vorstellen, dass um Esslingen herum nicht eine Mauer, sondern 4 Mauern jeweils Stadtteile umschlossen. Das waren zunächst die heutige Innenstadt, dann die vor Roß- und Wehrneckar südlich liegende Pliensauvorstadt (welche heute auf dem anderen Neckarufer ist), der Obertorbereich im Osten bis zum Charlottenplatz sowie das Beutauviertel im Norden mit den Weinbauern (Bild 1).

Die Burg selbst war Teil der Stadtbefestigung und diente als Verteidigungsbauwerk über der Stadt auf dem Schönenberg. Zunächst bestand diese nur aus den westlichen und östlichen Schenkelmauern sowie den oben quer liegenden ebenen Seilergang und wurde in dieser Form 1318 zum ersten male urkundlich erwähnt (in Bild 2 die Nummern 2, 5 und 17). Bereits 1268 fand vermutlich erstmalig die Erwähnung der westlichen Schenkelmauer, den heutigen Burgstaffeln statt. Es gab noch keine Türme an der Mauer. Der Seilergang wurde im Laufe der Zeit dreimal erhöht, was vom Burginnenhof über dem Kohltor gut zu  sehen ist. Den Namen hat der Gang durch die Seilzunft, welche hier eine lange ebene überdachte Fläche vorfanden, die zum flechten von Seilen genutzt wurde.

Im Jahr 1519 kam es zu heftigen Kämpfen zwischen Herzog Ulrich von Württemberg und der Reichsstadt Esslingen. Die damalige Reichsstadt Reutlingen war kurz zuvor gefallen und nun versuchte Herzog Ulrich zunächst über den Neckar mit Flössen die Stadt zu erobern. Als ihm dies nicht gelang, umrundete er die Stadt im Osten und versuchte vom Norden (heutige Mülbergerstraße) auf dem Schönenberg die Burgmauern zu überwinden. Die Esslinger schafften in einer Nachtaktion Ihre Kanonen ebenfalls auf den Schönenberg hoch und wehrten sich erfolgreich 5 Tage und Nächte gegen die Angreifer. Danach wurde von 1525 bis 1531 die Befestigung massiv durch eine zweite davor liegende Mauer verstärkt. War die ursprüngliche Mauer zur Verteidigung auf Waffen wie Steinschleudern und Bogenschützen ausgelegt, mußte die neue Mauer Kanonenkugeln von 20-30 cm Durchmesser standhalten können. Daher sind die Mauern teilweise 6 Meter dick und es entstanden die 4 dicken Rundtürme, hinter der Hochwacht der Beutauturm, der Nord-West Turm (hinter dem Melac Haus), dem Obere Turm (auch Pulverturm genannt) und dem Dicken Turm (ca. 1527). Nach Fertigstellung war aufgrund des Fortschritts im Waffenbau die Befestigung schon wieder veraltet. Ein weiterer Ausbau wurde in Erwägung gezogen, jedoch nicht realisiert. In den Türmen standen die Kanonen stockweise (Bild 3 und 4) und dienten als letztes Bollwerk für die Bevölkerung falls die Stadt fallen würde. Daher sind die Schießscharten in alle Richtungen zu finden, auch nach innen zur Stadt und dem Burghof. Die über den Schießscharten befindlichen Öffnungen dienten dem Rauchabzug.

1578 wurde die heutige Hochwacht auf dem Seilergang gebaut, welche als Wache insb. bei Feuer ständig besetzt war. 1688 wurde Esslingen im Rahmen des Pfälzer Erbfolgekrieges von General Melac besetzt und kurzzeitig bewohnt. Bei seiner Flucht nahm er alle Waffen und Kanonen von Esslingen mit und zerstörte die östliche Schenkelmauer, welche seitdem kein Dach mehr besitzt.

Der Dicke Turm selbst hatte zu Beginn ein flaches Kegeldach, welches 1788 neu eingedeckt wurde. Allerdings musst dieses Dach bereits nach 12 Jahren wegen Baufälligkeit wieder abgerissen werden. Damit begann eine Zeit ohne Dach mit entsprechendem Verfall des Dicken Turmes (Bild 5). Erst 1887 wurde nach Nürnberger Vorbild die heutige Haube errichtet und der Turm diente als Aussichtsplattform.

Esslinger Burg 1875

1976-1977 erfolgt eine Neugestaltung des inneren und äußeren Burgplatzes sowie eine aufwändige Renovierung und Umbau des Dicken Turmes zum Restaurantbetrieb. Dieses Restaurant wurde im Jahre 2011 geschlossen. Seitdem ist der Turm ohne Nutzung und öffentlichem Zugang. (TH)

[DISPLAY_ULTIMATE_PLUS]

Christian Ottersbach

Historiker

Christian Ottersbach ist u.a. seit Oktober 1. Vorsitzender des Marburger Arbeitskreises für europäische Burgenforschung.

Festungen in Baden-Württemberg