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Neue Aufmerksamkeit für ein altes Wahrzeichen

Esslingen: Weil der große Wurf derzeit nicht finanzierbar ist, will OB Zieger mit kleinen Schritten zu Verbesserungen gelangen

Von Alexander Maier

Esslingen ist reich an historischen Schätzen, doch einer liegt vielen Bürgern besonders am Herzen: der Dicke Turm. Entsprechend groß war die Resonanz, als unsere Zeitung in einer Leseraktion dazu einlud, Ideen für die Zukunft dieses geschichtsträchtigen Bauwerks zu formulieren. Manche könnten sich dort ein Museum vorstellen, andere würden dort gerne wieder ein Lokal sehen. Wieder andere plädieren für eine Event-Location, ein Gruselkabinett, einen Aussichtspunkt oder eine Wohlfühl-Oase. Doch einig sind sich alle: Der Dicke Turm muss stärker in den Fokus gerückt werden. OB Jürgen Zieger hat die Diskussionen aufmerksam verfolgt. Den ganz großen Wurf kann der Rathaus-Chef mit Blick auf die Kassenlage nicht versprechen, doch er nimmt die Debatte zum Anlass, neue Vorschläge zu entwickeln.

„Nicht vom Verfall bedroht“
Dass unsere Leseraktion so große Resonanz fand, hat den Oberbürgermeister nicht überrascht: „Wir wissen aus Umfragen des Stadtmarketings, dass der Dicke Turm große Wertschätzung genießt. Wenn man nach Themen fragt, die die Bürger mit ihrer Stadt verbinden, rangiert der Dicke Turm noch vor dem Alten Rathaus.“ Schon deshalb mag Zieger den Eindruck nicht stehen lassen, die Stadt kümmere sich nicht genügend um ihr Wahrzeichen: „Es stimmt nicht, dass der Dicke Turm verfallen würde. Auch die Dachanlagen sind nicht vom Verfall bedroht, obwohl wir da mittelfristig etwas tun müssen. Darauf achte ich als Oberbürgermeister sehr genau.“

Während Zieger „keinen Zweifel daran lassen will, dass wir alles dafür tun, den Dicken Turm bauhistorisch zu erhalten“, muss er Hoffnungen auf eine neue Dauernutzung einen Dämpfer verpassen: „Ganz egal, ob wir den Dicken Turm gastronomisch oder museal nutzen wollten – in jedem Fall müssten wir dafür zwischen drei und sechs Millionen Euro in die Hand nehmen. Darunter geht gar nichts. Und das ist vor dem Hintergrund der vielen anderen städtischen Aufgaben nicht vermittelbar. Wie sollte ich vermitteln, dass für Straßen und Brücken kein Geld da ist, wenn wir für eine gastronomische Nutzung des Dicken Turms solche Summen investieren würden?“

Für den Gedanken mancher EZ-Leser, nur ein paar kosmetische Korrekturen vorzunehmen und dadurch eine provisorische Nutzung als Kiosk, Besenwirtschaft oder Museum zu ermöglichen, hat Zieger Verständnis – eine Alternative sei das aber leider nicht: „Das würde schon am Brandschutz scheitern, dessen Anforderungen wir nicht wegdiskutieren können – ganz egal, welche Dauernutzung zum Zuge käme. Wie streng die Vorschriften sind, hat man ja am Stuttgarter Fernsehturm gesehen.“ Hinzu kämen der völlig unzureichende Wärmeschutz, die erneuerungsbedürftige Haustechnik, die marode Restauranteinrichtung, der verbesserungsbedürftige Aufzug und, und, und. All das seien Gründe, die einer dauerhaften Nutzung des Dicken Turms im Wege stünden – ganz egal, für welche Variante sich die Stadt entscheiden würde.

Hohe Investitionen schrecken ab
Die Hoffnung, dass ein neuer Gaststättenpächter groß investieren könnte, hegt Zieger nicht: „Da hat unsere Ausschreibung ein klares Ergebnis gebracht. Interessenten gibt es, doch alle gehen davon aus, dass die Stadt erst einmal rund drei Millionen in die Hand nimmt. Die Kosten selber tragen würde keiner, weil sich das nicht rechnet.“ Und für gastronomische Investitionen gibt es noch nicht mal Zuschüsse – die werden nur für Aufwendungen zum Denkmalschutz gewährt.

Trotz vielerlei Schwierigkeiten hat der Oberbürgermeister die Ergebnisse unserer Leseraktion und das große Engagement vieler Esslinger für „ihren“ Dicken Turm zum Anlass genommen, über Möglichkeiten nachzudenken, wie sich das historische Bauwerk wieder stärker in den Fokus rücken ließe. Ansatzpunkte sieht er durchaus. Zunächst möchte Zieger mit dem Burgverein sprechen, der sich bereits mit stattlichen Zuschüssen für die Sanierung von Burgstaffel und Seilergang eingesetzt hat. „Es wäre schön, wenn der Burgverein sein Engagement auf den Dicken Turm ausdehnen könnte“, findet der OB. So ließen sich zu den unerlässlichen denkmalschützerischen und
Gebäude erhaltenden Aufgaben, um die sich die Stadt kümmert, zusätzliche finanzielle Spielräume eröffnen. Auch den Gedanken mancher EZ-Leser, eine Spendenaktion zu initiieren, begrüßt der Rathaus-Chef: „Das wäre ein wichtiges Zeichen für die Identifikation der Bürger mit dem Dicken Turm.“ Auch wenn sich die mit drei bis sechs Millionen Euro veranschlagten Kosten damit nur zu einem überschaubaren Teil finanzieren ließen.

Darüber hinaus sieht OB Jürgen Zieger noch eine ganze Reihe weiterer Ansatzpunkte, um dem Dicken Turm wieder zu größerer Geltung zu verhelfen. So nahm er unsere Leseraktion zum Anlass, mit der Esslinger Stadtmarketing und Tourismus GmbH (EST) zu vereinbaren, dass der Dicke Turm in deren Führungsprogramm aufgenommen wird – für kleine, geschlossene Gruppen soll es sogar Besichtigungsmöglichkeiten geben. Die erste Gelegenheit, wieder einen Blick ins Innere zu werfen, wird im Sommer die Reihe „Erlesene Orte“ von Stadtbücherei und Esslinger Zeitung geben. Vor der Lesung will der OB höchstpersönlich durch den Dicken Turm führen.

Und noch etwas hat sich Zieger vorgenommen: „Wir wollen dafür sorgen, dass der touristische Wert des Dicken Turms stärker herausgearbeitet wird.“ Deshalb soll die Beschilderung verbessert werden, „damit die Besucher erfahren, welchen historischen Schatz sie dort besichtigen“. Und auch der verwahrloste Eindruck, den die Schaukästen der bisherigen Gastronomie vermitteln, soll beseitigt werden. Alles in allem ist Jürgen Zieger zuversichtlich, „dass wir damit einen Schritt vorankommen“, dem weitere folgen könnten, wenn sich finanziell ein Türchen auftut: „Der Erhalt des Dicken Turms ist gesichert, und für die Zukunft haben wir uns nichts verbaut.“

BLICK IN DIE HISTORIE
1219 wird Esslingen durch Friedrich II. zur Stadt erhoben und wohl auch erstmals durch Mauern geschützt.
1287 lässt Rudolf von Habsburg die Bauten auf dem Schönenberg durch neue Mauern mit der Stadtbefestigung verbinden.
1314 entstehen weitere Verbindungsmauern, die Burg wird erstmals urkundlich erwähnt.
1519 – 1531 wird die Anlage durch die Burgsteige sowie durch Wälle und Graben erweitert.
1525 – 1527 entsteht der Dicke Turm mit seinen fünf Meter dicken Mauern als Teil der Befestigungsanlagen.
Um 1800 wird der baufällige Dachstuhl des Dicken Turms abgerissen.
1887 erhält der Dicke Turm seinen charakteristischen Turmhelm.
1977 wird der Dicke Turm zum Stadtjubiläum renoviert, das Burgareal wird als parkartige Grünanlage gestaltet.
2005 wird der Burgverein gegründet.

Presse Foto 04

Die dunklen Wolken täuschen: Auch wenn sich eine große Lösung derzeit wohl nicht finanzieren lässt, zeichnet sich für den Dicken Turm ein Silberstreif ab.

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